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Die Göltzschtalbrücke - Seite 2
Wissenswertes um ihre Entstehung


Das kulturelle Niveau eines Volkes erkennt man nicht zuletzt daran, in wie weit es über den augenblicklichen Bedarf der Generation hinaus Bleibendes und Nützliches zu schaffen gewillt und in der Lage ist. Daran gemessen ist die Göltzschtalbrücke eine Kulturtat ersten Ranges. Weitsicht und Einsicht, Mut und Vorsicht, Fortschritt und Tradition sind - eingebracht von ihren Erbauern - in ihr symbolträchtig vereint.

  Göltzschtalbrücke: 'Constructios'-Zeichnung
Die Verlegung einer Bahnlinie von Sachsen nach Bayern, um 1850 zwei im Eisenbahnbau führende Länder Deutschlands, konnte nur durch's Vogtland erfolgen, wobei die Täler der Weißen Elster und der Göltzsch überquert werden mussten. Die damals den noch schwachen Lokomotiven geschuldete Vorgabe einer maximalen Streckensteigung von 1% ließ kein Absenken der Linie zu, also mussten die Täler in voller Höhe überbrückt werden. Keine leichte Aufgabe, vor welcher die Projektverantwortlichen, darunter der gebürtige Vogtländer Prof. Johann Andreas Schubert und der Oberingenieur Robert Wilke standen. Römische Aquädukte vor Augen, favorisierte die Baukommission klassische Gewölbebrücken aus dauerhaftem Steinmaterial, doch wie konnte man sicher sein, dass Bauwerke dieser Größe auch wirklich standfest sein werden, können sie nicht allein schon durch das Eigengewicht zusammenbrechen oder versinken? Wie viel Last können bestimmte Steine überhaupt aufnehmen? Alles war unbekannt und Erfahrungen und Gefühl halfen hier nicht weiter, also entwickelte der jedem technischen und gesellschaftlichen Fortschritt aufgeschlossene Schubert prompt ein neues Rechenmodell - die Stützlinientheorie - welche es erlaubte, die richtigen Dimensionen der Brücken zu ermitteln.
  Göltzschtalbrücke: Prof. Johann Andreas Schubert
Johann Andreas Schubert
Konstruktionsgrundlagen
Göltzschtalbrücke: Oberingenieur Robert Wilke
Robert Wilke, Projektant
und Oberbauleiter
Göltzschtalbrücke: Ingenieur Ferdinand Dost
Ferdinand Dost, Bauleiter
der Göltzschtalbrücke
Die entscheidende Grundlage der Berechnung war eine angenommene Mindestfestigkeit jedes Einzelnen der über 38 Millionen Bausteine und seiner Mörtelverbindung. Die allerkleinste Zelle also in diesen Riesenbauwerken musste stimmen, deshalb lieferte Schubert die Konstruktion einer geeigneten Druckprüfvorrichtung für das Baumaterial gleich mit. Der eher zurückhaltend-konservative Beamte Wilke, ein Ingenieur-Hauptmann, formte anhand dieser Berechnungen und seinen umfangreichen, praktischen Erfahrungen als Bahnbauleiter schließlich die Ausführungsprojekte und bewältigte auch die periphere Baulogistik meisterhaft. Dies geschah stets im leidenschaftlichen, aber sachlich-positiven Streit mit Schubert. Beide Männer, so unterschiedlich ihre persönlichen Einstellungen und Ansichten auch waren, ergänzten sich im Wissen um ihre Verantwortung hervorragend zum Wohle des gemeinsamen Projektes. Ihr einzigartiger Erfolg ist somit auch ein steingewordenes Symbol dafür, dass man durch konstruktives Überwinden aller Meinungsunterschiede und persönlichen Ambitionen Großes erreichen kann, wovon sich angesichts des heute oft zu erlebenden kleinlichen Gezänks bei wirtschaftlichen oder politischen Projekten mancher Verantwortliche in Nadelstreifen eine Scheibe abschneiden könnte!
Göltzschtalbrücke: Bauszene
So entstand an der Göltzsch nicht nur die weltgrößte Steinbogenbrücke überhaupt, sondern auch die erste statisch berechnete. Es mag kurios klingen, aber das Riesenbauwerk hat fast nichts zu tragen außer sich selbst, das "bisschen Zug" steckt sie nebenbei mit weg. Doch damit war man projektseitig noch nicht ganz aus dem Schneider. Ihre dynamische Stabilität - die große Unbekannte - erwies sich erst bei den Belastungsproben und der folgenden Betriebspraxis. Beim Überfahren kann es zu Schwingungen kommen, welche die reinen Gewichtsbelastungen mehrfach übertreffen können. Besonders die gefürchtete Resonanzschwingung bringt bis auf den heutigen Tag auch moderne Brücken zum Einsturz, da sie schlecht vorhersehbar ist. Der Göltzschtalbrücke jedoch verleihen die zahlreichen doppelten Zwischenbögen, welche ja eigentlich nichts tragen müssen, eine außerordentliche Schwingungsfestigkeit. Davon kann sich jeder selbst überzeugen: beim Überfahren der Brücke "kollert" es in deren Gemäuer viel weniger als in anderen Steinbogenbrücken, einschließlich ihrer "schlankeren" Schwester im Elstertal. Bei ihr wurden nach der 1945 erfolgten Sprengung des Mittelteils Stahlbetonbögen eingebaut und diese zeigen heute schon wieder Werkstoffschäden. Umso mehr Hochachtung bekommt man vor der dreimal älteren Bauausführung der Originalteile und der Göltzschtalbrücke.
Göltzschtalbrücke zur zeit der Fertigstellung
Letztere sieht trotz ihres Alters von nunmehr rund 150 Jahren noch immer irgendwie "jung" aus und ist jeder modernen Beanspruchung gewachsen. Auch daran haben die Praktiker ihren Anteil: im Gegensatz zu einem früheren Entwurf, der eine gleichmäßige Verjüngung der Pfeiler nach oben vorsah, führte man den Bau auch in der Breite in abgesetzten Etagen aus, auch wenn dabei für die Tragfähigkeit bedeutungsloses Material verbaut wurde. Doch so bekam jede Etage Kontrollgänge, eine Aufstellfläche für Baugerüste und Transportwege für Material zum Ausbessern der darauf folgenden Etage, ohne den Fahrbetrieb einschränken zu müssen. Damit war die Pflege des großen Bauwerkes auch mit den bescheidenen Mitteln des 19. Jahrhunderts einfach zu bewerkstelligen. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang die hervorragende handwerkliche Leistung der Bauleute unter extremen Bedingungen und mit nur einfachen Arbeitsmitteln. Davon zeugen die saubere, exakte Verfugung und die präzise Anordnung der Steine, jeder Besucher kann sich noch heute davon überzeugen.
FRUGIFEROS CELERET MOTUS IMMOBILIS IPSE
"Selbst feststehend, möge sie nützlicher Bewegung förderlich sein."
Inschrift einer Tafel an der Balustrade

Götzschtalbrücke: Erinnerungsmeaille zur Schlusssteinlegung

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