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Historische Beschreibung des Griffelmachergewerbes
von Tuisko Krause aus der Zeit vor 1900
(leicht gekürzt, geändert und in der damals gültigen Rechtschreibung)


Als die goldene Zeit preisen die Griffelmacher die von 1872 bis in die achtziger Jahre. 50 Mark und noch mehr verdiente da bei fleißiger Arbeit wöchentlich eine Griffelmacherfamilie. Manche haben die Zeit benutzt und sind zu einigem Wohlstand gelangt, manche haben es auch nicht gethan. Sie sind arm geblieben und sehnen sich nun gleich jenem Bergmann nach der Wunderblume und den verschwundenen Schätzen. Die hohen Griffelpreise veranlaßten, auch an anderen Orten zu graben, und zum Teil geschah das mit Erfolg. Es entstand Konkurrenz, mit ihr Zwistigkeiten zwischen den Griffelmachern,schließlich durch Überproduktion ein rasches Sinken der Griffelpreise, was den Fiskus veranlaßte, die Industrie selbst in die Hand zu nehmen und die Griffelbrüche zu verstaatlichen.

Besuchen wir nun, um zu sehen, wie eigentlich unser Schieferstift entsteht, einen solchen Schieferbruch. Jeder ist mit seinem kleinen Koloniedorf von Bretterhütten umgeben, den Arbeitsstätten der Griffelmacher. Mit kräftigen "Glück auf" fährt früh eine Abteilung in den Bruch ein, um den nötigen Griffelstein zu brechen. Die Arbeit ist keine leichte, und Unglücksfälle sind dabei nicht selten. Der gewonnene Stein wird in gleiche Haufen geteilt und verlost. Jeder Griffelmacher bringt sein "Los" in das "Steinloch", eine kellerartige, mit einer Thür versehene Vertiefung bei seiner Hütte. Darin muß der Stein feucht gehalten werden; denn nur feuchter Griffelschiefer spaltet, einmal trocken geworden, ist er wertlos. In seiner Hütte zersägt dann der Griffelmacher den Stein in kleine, der Griffellänge entsprechende Stücke. Die Arbeit geschieht mit der Handsäge und ist nicht nur anstrengend, sondern auch wegen des eingeatmeten Schieferstaubes gesundheitsschädlich. Die erhaltenen Stücke werden dann nochmals zersägt oder mit einem scharfen Hammer in Platten und diese wieder in lauter viereckige Säulchen zerspalten. Der hierbei Zusehende weiß nicht, was er mehr bewundern soll, die Fertigkeit und den sicheren Blick des Arbeiters oder das Material, das sich leichter spalten läßt, als Holz.

In einer Ecke der Griffelhütte steht die "Maschine", welche das "Durchmachen" der Griffel besorgt, ein einfaches Holzgestell. Zwischen zwei aufrechtstehenden Holzsäulen ist ein Querbalken befestigt, welcher ein kegelförmiges Eisen trägt,das mit einer geschärften, der Griffelstärke entsprechenden Öffnung versehen ist. Ein anderer Querbalken ist unten mit einem Fußtritt, oben mit einem federnten, an der Decke der Hütte befestigten Fichtenstämmchen verbunden und läßt sich zwischen den beiden Säulen auf und ab bewegen. Der rohe Stift wird auf die Mündung des Eisens aufgesetzt, ein Druck mit dem Fuße, der Querbalken senkt sich nieder, der drückt den Stift durch die Öffnung, und er fällt gerundet und geglättet unten heraus. Je nach Beschaffenheit der Mündung können schwache und starke, vier- und dreieckige Griffel gefertigt werden. Das "Durchmachen" war früher die Aufgabe der Frauen und Kinder, jetzt ist die Kinderarbeit auf den Brüchen verboten.

Der Verdienst der Griffelmacher ist dem anderer Arbeiter gegenüber ein geringer. Große Ansprüche an das Leben stellt er nicht. Fast jeder besitzt ein Häuschen und ein Stück Feld, welches ihm sein Hauptnahrungsmittel, die Kartoffel, liefert. Der Griffelmacher genießt sie selbstzubereitet als Mittagsmahl allein in seiner Griffelhütte und als Abendbrot zuhause mit seiner Familie. Am Sonntag erscheinen sie in Form von rohen Klößen auf dem Tisch. Verschiedene Pilze, vorallem aber der sogenannte Stockschwamm, welchen die Frauen ausgezeichnet zuzubereiten verstehen, sind ein Leibgericht der Griffelmacher. Um es sich zu sichern - denn auch andere Leute finden Stockschwämme sehr schmackhaft - gräbt mancher die großen Buchenstöcke, an welchem sie wachsen, mit vieler Mühe aus und schafft sie in seinen Garten oder Keller. Werden sie zuweilen begossen, so geben sie willig an jedem Sonnabend ihren Ertrag.

Der geringe Verdienst der Griffelmacher wird durch die Arbeit der Frauen und Kinder etwas erhöht, welche sich mit dem "Veredeln" der Griffel beschäftigen. Die rohen Griffel werden aus dem staatlichen Lager zur Veredlung an die einzelnen Familien verteilt. Frauen und Kinder umwickeln die Griffel mit Gold-, Silber- und Buntpapier und spitzen sie mit einem beilartigen Instrument. Kisten und Kästchen jeder Größe, vom geringsten Holzkasten bis zum feinsten Etui mit englischer Aufschrift, in denen die Griffel versand werden, werden ebenfalls in den Griffelorten selbst gefertigt und sind Gegenstände eines besonderen Erwerbszweiges. Bei ihrer Herstellung sowohl, als auch beim Verpacken der Griffel sind Frauen und Kinder mitbeschäftigt.

Die Händler des Griffelbezirkes versenden ihre Ware nach allen Teilen der kultivierten Welt. Die meisten, aber auch geringsten Griffel, z. B. sogenannte Stümpfe, kaum fingerlange, aber doch mit Kattunpapier umwickelte Abfallgriffel, gehen nach England oder direkt in dessen Kolonien. Mit dem Stifte, den der Griffelmacherknabe "gewickelt", während der Schneesturm an den schieferbeschlagenen Wänden seines Vaterhäuschens klapperte, malt der ebenso arme Hinduknabe unter der heißen Sonne Indiens seine ersten Schriftzeichen.

Was das Erntefest für den Landmann, nämlich ein Dank- und Freudenfest, das ist das sogenannte Bergfest, welches alljährlich zu Fastnacht gefeiert wird, für den Griffelmacher. Wahrscheinlich ist es aus alter Zeit übernommen, in der die Väter in denselben bergen nach Eisenstein gruben, in denen es heute die Söhne nach Griffelstein thun. In langem Zuge begaben sich die Griffelmacher mit ihren Familien nach der Kirche, woselbst ein besonderer Dankgottesdienst abgehalten wurde. Der Nachmittag gehörte den Kindern, welche mit Brezeln und Bier traktiert wurden und sich bei Spiel und Tanz belustigten. Abends fand der Griffelmacherball statt, bei welchem man Gelegenheit hatte, die Frauen und Mädchen in ihrer schmucken, einer vergangenen Zeit angehörigen Tracht zu bewundern. In den letzten Jahren ist das Bergfest wegen des schlechten Geschäftsganges garnicht gefeierte worden. Hoffentlich werden auch bald die Preise der Griffel höhere und lassen die Griffelmacher wieder ihr Bergfest in alter Weise und Fröhlichkeit feiern!

Tuisko Krause, Camburg
Die Griffelindustrie des Meininger Oberlandes
in
Thüringen in Wort und Bild
Thüringer Pestalozzivereinen
Julius Klinkhardt Verlag, Berlin, 1900
 

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